Agricola vs. moderne Goldsuche – was die alten Bergleute schon verstanden hatten
Manchmal sitze ich abends an meinem Schreibtisch, habe vor mir meine Lupe, ein paar Goldnuggets mit Erzmatrix und daneben mein PC in der ich die digitale Originalausgabe von Georgius Agricola lese.
Ein Werk aus einer Zeit, in der es noch keine Actioncams gab, keine Goldwaschkurse auf YouTube und keine bunten Plastikrinnen. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, hatte man damals eine erstaunlich klare Vorstellung davon, wie man Gold in der Natur findet.
Je länger ich mich mit diesem alten Buch beschäftige, desto deutlicher wird mir vor Augen geführt, wie die Bergleute des 16. bis 18. Jahrhunderts vielen von uns modernen Goldwäschern voraus waren.
Sie haben Goldsuche fast ausschließlich vom Gestein aus gedacht.
Wir heute starten dagegen oft im Bach, in der Pfanne, im Black Sand - ja, das ist bequem, aber es verstellt gerne den Blick auf das Entscheidende, die eigentliche Goldquelle im Wirtsgestein.
Wie Agricola Goldsucher sieht - der Blick vom Gestein aus
Blättert man durch Agricola, fallen einem zuerst die Holzschnitte ins Auge. Überall sieht man Menschen, die Gestein untersuchen, Lesesteine sammeln, Stollen treiben, Erze zerschlagen. Die Pfanne taucht zwar auch auf, aber sie steht nicht im Mittelpunkt. Sie ist ein Werkzeug unter vielen, ein Hilfsmittel zum Prüfen, nicht der Star der Youtube-Show, eher von Münzer und Goldschmiede benutzt.
Agricola beschreibt sinngemäß immer wieder denselben Ablauf:
Zuerst sucht der Bergmann nach „veränderten Gesteinen". Er achtet auf verrostete Zonen, auf Bänder, die anders aussehen als der Rest, auf helle Quarzgänge, auf dunkle Schiefer mit metallischem Glanz. Alles, was aus dem Rahmen fällt, wird interessant. Diese Brocken werden als Lesesteine aus dem Hang gelesen, vom Bachrand aufgelesen und an einer günstigen Stelle gesammelt. Dort beginnt die Auswahl: Was fühlt sich schwerer an als der Rest? Wo glänzen Sulfide, wo ist der Quarz durchzogen von Erzadern?
An dieser Stelle findet die erste Entscheidung statt: nicht im Bach, nicht im Schlamm, sondern am trockenen Hang, Auge in Auge mit dem Gestein.
Periti / imperiti, experti / ignari - Georgius Agricola unterscheidet schon im 16. Jahrhundert einen harten Cut zwischen Kundigen und Unkundigen, zwischen Erfahrenen und Unwissenden. Wenn ich mich heute mit der Goldsuche beschäftige, möchte ich mich dabei nicht als Allwissender hinstellen, aber ich habe oft zwei Welten gleichzeitig im Kopf. Auf der einen Seite lese ich bei Agricola, wie Bergleute Lagerstätten suchen, Erze aufbereiten und Metalle gewinnen. Auf der anderen Seite sehe ich moderne Goldwasch-Inhalte, in denen es fast nur noch um Pfannen, Rinnen, Black Sand und das nächste spektakuläre Thumbnail geht.
Die Goldsuche war wohl damals schon kein reines Armenhobby, sondern es gab damals schon eine Klasse von mobilen Profis, die weit gereist sind um die besten Location auszubeuten, die Technik und Kapital mitgebracht hatten und natürlich ihr Gold und ihre Person bewaffnet schützen.
Die natürliche Goldanreicherung in Bächen und Flüssen war kein romantischer Spielplatz, sondern ein umkämpfter Zugang zum Metall. In gewisser Weise ist das bis heute so geblieben, nur dass die Waffen sich geändert haben. Damals war es das Schwert, heute Marketing, Algorithmen und Verkaufspsychologie. Zwischen den historischen Profis, die jedes Erzstück geologisch bewertet haben, und den heutigen Goldsuchern, die an Verkäufer der bunten Rinnen-Versprechen hängen, weil ihre Rinnen am besten und alles fangen und dadurch das Gold noch schneller in die Goldwaschpfanne kommt, genau an dieser Stelle sollten wir Goldsucher anfangen nachzudenken und uns nicht von den Versprechen die keine sind, durch die Landschaft treiben lassen.
Wenn ich mich mit Agricola im Hinterkopf durchs Gelände prospektiere, merke ich, wie weit die Bergleute in einem Punkt waren - sie wussten, dass das Gold in erster Linie ein Gesteinsthema ist.
Sie haben verstanden, dass der Bach nur die letzte Station der Reise ist. Die Quelle liegt im Gelände, in den Strukturen, in den Gesteinskontakten. Im Bach landen lediglich die Krümel, die das System übrig lässt. Deswegen haben sie Lesesteine gesammelt, Wände abgelesen, nach verrosteten Zonen gesucht, nach den typischen Signaturen der Erze. Der Bach war für sie Prüfstein, nicht Ausgangspunkt, auch wenn es im Bach Hardcore-Au-Anreicherungen gab, diese allerdings hart mit dem Schwertschutz hart umkämpft waren.
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| Goldwäscher mit seinem Schwert an den Baum gelehnt und die prächtigen Gewänder nebenan abgelegt |
Überzeugend ist für mich, dass viele Missverständnisse in der heutigen Goldsuche genau daran hängen. Wer nur im Bach denkt, sucht die Goldquelle immer dort, wo das Wasser sichtbar ist. Wer im Gestein denkt, merkt irgendwann, dass man oft schon mitten in der Quelle steht - auch wenn in der Pfanne erstmal nur Goldstaub oder kleine Goldflitter auftauchen.
Gestein statt Black-Sand-Fetisch
Wenn ich an so einer Stelle im Gelände stehe, versuche ich zuerst, den Blick der alten Bergleute einzunehmen.
Ich schaue mir das Wirtsgestein an. Welche Farben dominieren? Gibt es grüne, eisenreiche Gesteine, dunkle Schiefer, helle, spröde Quarzadern? Wie sind die Schichten gestellt, wo brechen sie, wo treten Zonen auf, in denen das Gestein völlig zertrümmert ist? Oft sieht man an kleinen Details, dass hier vor langer Zeit jemand gearbeitet hat: Lesesteine, die nicht zufällig liegen, kleine Bereich, in denen Material entnommen wurde, geräumte Streifen am Hang usw..usw.
Erst dann kommt der Bach ins Spiel. Wenn ich Material wasche, dann nicht, um Black Sand zu bewundern, sondern um eine Frage zu beantworten - Passt das, was ich in der Pfanne sehe, zu dem, was mir das Gestein erzählt?
Wenn in einem Gebiet viele Hinweise auf goldführende Erzsysteme existieren, ist es für mich kein Problem, wenn im Bach zunächst nur sehr feines, kaum sichtbares Gold auftritt. Das ist eher ein Hinweis darauf, dass die eigentliche Quelle noch stark gesteinsgebunden ist - so, wie es Agricola beschreibt. Dann denke ich weiter in Richtung Erz, Matrix und Gesteinsproben. Die Pfanne sagt mir nur: „Ja, das System liefert mir Gold, aber, Hey Torsten, du stehst noch am falschen Ende.
Wenn in einem Gebiet viele Hinweise auf goldführende Erzsysteme existieren, ist es für mich kein Problem, wenn im Bach zunächst nur sehr feines, kaum sichtbares Gold auftritt. Das ist eher ein Hinweis darauf, dass die eigentliche Quelle noch stark gesteinsgebunden ist - so, wie es Agricola beschreibt. Dann denke ich weiter in Richtung Erz, Matrix und Gesteinsproben. Die Pfanne sagt mir nur: „Ja, das System liefert mir Gold, aber, Hey Torsten, du stehst noch am falschen Ende.
Moderne Analytik trifft auf alte Denke
Der große Vorteil, den wir heute gegenüber den Bergleuten des 16. Jahrhunderts haben, sind die analytischen Werkzeuge. Agricola musste aus Farbe, Gewicht, Glanz und ein paar Waschtests seine Schlüsse ziehen. Ich kann einen Schritt weitergehen.
Wenn ich ein Gestein oder ein Nugget mit sichtbarer Erzmatrix in der Hand habe, landet es nach der Geländearbeit unter dem Mikroskop. Dort sehe ich, wie das Gold eingebunden ist.
Sitzt es in hellen Erzgängen? Klebt es an Eisenoxiden? Versteckt es sich in winzigen Sulfiden?
Viele scheinbar „langweilige“ Gesteine zeigen unter der Vergrößerung plötzlich komplexe Texturen, feine Adern, Überprägungen, kleine Einschlüsse, die im Gelände unsichtbar bleiben.
Der zweite Schritt wäre dann die RFA-Analyse. Mit ihr kann man das geochemische Muster auslesen: Gold, Silber, Quecksilber, Begleitmetalle wie Tellur, Arsen, Blei, dazu die gesamte Eisen- und Schwermetallmatrix. Aus diesen Signaturen lässt sich ableiten, ob es sich um ein primär goldführendes System handelt, ob das Gold an Sulfide gebunden ist, oder ob man eher ein gewöhnliches Schwermineralpaket ohne nennenswertes Gold vor einem hat.
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| Goldwaschrinne, betrieben wie heute mit Streckgitter-Muster - nix Gummiriffel die alles fangen sollen |
Also, im Kern mach ich/man damit dasselbe wie Agricola, nur eben präziser, weil wir die technischen Möglichkeiten dazu haben.
Für mich lassen sich aus der Lektüre von Agricola und aus den eigenen Projekten drei einfache, aber harte Lektionen ableiten.
Erstens:
Die Goldsuche beginnt nicht im Bach, sondern im Gestein.
Wer nur Black Sand und Goldflitter zählt, wird immer vom letzten Kapitel der Geschichte ausgehen. Wer im Hang, an den Lesesteinen und an den Strukturen denkt, liest das ganze Buch.
Zweitens:
Feingold ist nicht „nichts“, sondern oft der wichtigste Hinweis.
Wenn in einer Gegend kaum sichtbares Gold, dafür aber auffällige Erzsysteme auftreten, spricht vieles dafür, dass das Gold noch stark gebunden ist, praktisch unsichtbar im Erz, verteilt in der Matrix, ist.
Für die alten Bergleute war das Alltag. Sie wussten, dass sich selbst unscheinbare Erze mit den richtigen Methoden in Feingold und später in Barren verwandeln lassen.
Wir heute neigen dazu, alles unterhalb von ein paar gut sichtbaren Flittern als „lohnt sich nicht“ abzutun, eigentlich Schade, aber die Gier nach dem großen Fund übersteigt und blendet uns die Sicht, ok, nicht alle, aber ich kenne viele Goldwäscher die so sind und dies auch öffentlich in den sozialen Medien posten.
Drittens:
Die Goldwaschpfanne und die Goldwaschrinne ist ein Werkzeug, kein Weltbild.
Sie ist hervorragend geeignet, um Hypothesen zu testen: Kommt aus diesem Gesteinszug überhaupt Gold im Bach an? - ja oder nein.
Sie beantwortet aber nicht die tieferen Fragen nach Genese, Lagerstättentyp, strukturellem Rahmen. Dafür braucht es den Blick über den Tellerrand, das Gestein in der Hand und - heute - den ergänzenden Blick durch das Mikroskop und wenn es geht mit den RFA-Methode.
Fazit und zurück zum Erz
Wenn ich die Originalausgabe von Agricola zuklappe und einen meiner eigenen digitalen Projektordner öffne, dann merke ich, wie nah beides eigentlich beieinander liegt.
Auf der einen Seite die Holzschnitte von Lesesteinen, Pochwerken und Waschböden und auf der anderen Seite Fotos von Goldnuggets mit Erzmatrix, Mikroskopaufnahmen und RFA-Spektren aus meinen Proben.
Der Unterschied liegt weniger in der Idee, sondern in den Werkzeugen. Agricola hätte viel von modernen Messgeräten geträumt, aber er hatte das Entscheidende bereits verstanden - Gold ist zuerst ein Thema des Gesteins, erst danach ein Thema des Wassers.
Genau dorthin versuche ich zurückzukehren und manchmal kommt es euch, meine liebe Community zu kompliziert vor, aber versucht doch mal, vom Black-Sand-Fetisch wegzukommen, wegzukommen von der Suche nach der „Goldquelle“ ausschließlich im Bachlauf und nicht versteht, dass man eigentlich in der Au-Quelle steht - hin zu dem, was die Bergleute vor Jahrhunderten schon wussten, dass nämlich die eigentliche Quelle in den Erzadern liegt, in den veränderten Gesteinen, in den Lesesteinen am Hang. Der Bach, erzählt nur die letzte Zeile der Geschichte - der Rest steht im Gestein.
Euch ein schöne Gold-Saison 2026


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